Expopharm 2019 – eine Messe im Cannabisrausch

Medizinisches Cannabis CBD THC

1. Cannabis auf dem Vormarsch

Die diesjährige Expopharm fand vom 25.09. bis zum 27.09. parallel zum Deutschen Apothekertag in der Messe Düsseldorf statt. Ca. 500 Aussteller präsentierten sich in den Messehallen. Digitalisierung, Logistik und innovative Warenwirtschaftssysteme standen im Vordergrund. Rein subjektiv waren weniger pharmazeutische Hersteller im Vergleich zur letzten Expopharm in München vor Ort. Dafür gab es einen sprunghaften Anstieg der Aussteller, die sich dem Thema Cannabis widmeten. Angeboten wurde Produkte zur Körperpflege, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik. Unternehmen, die medizinische Cannabis in ihrem Portfolio haben, waren ebenfalls vertreten. Insgesamt haben sich ungefähr 30 Unternehmen zum Thema Cannabis vorgestellt. Auch die Vorträge am Mittwoch standen fast alle unter diesem Thema.

Der Markt für cannabishaltige Produkte, in welcher Form auch immer, boomt in Deutschland. Allein in der Lauer-Taxe sind bis heute über 200 Präparate registriert. International steigt beinahe täglich die Anzahl von cannabisproduzierenden Unternehmen, weltumspannende Tabakkonzerne und Hersteller von Spirituosen steigen in den Markt ein. Finanzanalysten wittern Milliardenmärkte.

 

2. Medizinisches Cannabis in Deutschland

Seit der Freigabe von Cannabis zur Behandlung von verschiedenen Indikationen ohne Indikationsbeschränkung im Jahr 2017 haben sich auch in Deutschland etliche Unternehmen gegründet, die am boomenden Markt partizipieren wollen. Wenige traditionelle pharmazeutische Unternehmen sind am Markt zu finden. Viele Start-Ups kommen aus dem Finanzsektor und fungieren lediglich als Großhändler. Die „Exit-Strategie“ lässt grüßen, es gilt „schnelles Geld“ zu machen.

Weitere große Produzenten, vorwiegend aus Kanada, den USA, Israel, Kolumbien und Mazedonien stehen in den Startlöchern, um auf den deutschen Markt zu kommen. Bisher gilt, wer Ware hat, wird sie auch los! Fast jedes, der am deutschen Markt befindlichen Unternehmen ist schon in eine “Out-Off-Stock“ Situation gekommen, insbesondere der holländische Produzent Bedrocan konnte den deutschen Unternehmen nicht genügend GMP-zertifiziertes Cannabis zur Verfügung stellen.

Im Jahr 2018 wurde medizinisches Cannabis zu Lasten der GKV im Wert von ca. 75 Millionen Euro verordnet. Hierbei standen Blüten und cannabishaltige Zubereitungen mit jeweils ca. 30 Millionen im Vordergrund. Der Markt wächst linear mit ca. 20 Prozent, das insbesondere von der GKV befürchtete exponentielle Wachstum ist nicht eingetreten.
Über die Verordnungen zu Lasten der PKV liegen aktuell keine Daten vor. Bis Mitte des Jahres 2019 gab es ca. 40.000 Patienten in Deutschland. Extrapoliert man die Zahlen aus den Ländern, in denen medizinisches Cannabis bereit erlaubt ist, geht man von 1 Prozent der Landesbevölkerung aus, d.h. für Deutschland wären das 800.000 Patienten. Schaut man auf die Cannabis-Rezepte, so werden diese (Stand Mitte des Jahres 2019) primär von Allgemeinmedizinern (30%), Nervenärzten (23%), Anästhesisten (18%) und Internisten (14%) ausgestellt. Rezepte aus der Klinik belaufen sich auf 8%. Bei den Indikationen steht die Behandlung des Schmerzes im Vordergrund (69%), Spastik (11%), Anorexie (8%), Übelkeit und Erbrechen (5%) und Depression (3%) folgen. (Quelle: Begleiterhebung, Stand 11.3. 2019)

 

3. Ausblick und viele offene Fragen…

Spätestens Ende 2020 wird genügend medizinisches Cannabis in Deutschland verfügbar sein. Durch neue Unternehmen am Markt und durch den Anbau in Deutschland. Aphria, Aurora und Demecan haben den Zuschlag erhalten mit der ersten Ernte ist dann zu rechnen. Alle in Deutschland angebotenen Produkte sind GMP zertifiziert.

  • Was unterscheidet Blüten und Öle außer dem CBPD/THC – Gehalt?
  • Warum soll der Arzt Produkt A oder B verschreiben?
  • Gibt es nachweislich eine klinische Relevanz von Produkt A oder B bei spezifischen Indikationen?
  • Bei welchen Indikationen hilft Cannabis wirklich?
  • Welches der am Markt befindlichen Unternehmen betreibt klinische Forschung, doppelblinde Studien mit entsprechender statistischer Power?
  • Dosisfindung, Fehlanzeige!
  • Gibt es Unternehmen, die sich eine medizinisch-, wissenschaftliche Abteilung leisten, die sich um Evidenz bemühen?

 

4. Es bleibt spannend..

In einer Stellungnahme vom 17.04. dieses Jahres plädierten 8 medizinische Fachgesellschaften unter dem Dach der DGPPN für einen vertrauensvollen Umgang mit medizinischem Cannabis. Aus ihrer Sicht beherrschen nicht kalkulierbare Risiken den momentanen Umgang bzw. das Verordnungsverhalten.

Die Unternehmen negieren größtenteils diese Belange, scheuen aus welchen Gründen auch immer den medizinisch wissenschaftlichen Austausch.
Kann das gutgehen, werden sich die medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften das gefallen lassen?

Der Druck auf die Politik wird zunehmen, Evidenz wird eingefordert. Was passiert, wenn der Markt zu Lasten der GKV ein „kritische Größe“ erreicht hat? Wo liegt dies, bei 300 oder 400 Mio Euro?
Wird dann möglicherweise GBA intervenieren? Wird Cannabis nur noch von bestimmten Facharztgruppen verordnet werden dürfen und bei bestimmten Indikationen? Was passiert, wenn der erste Hersteller einen Rabattvertrag mit Kassen schließt und „Preferred Provider“ wird? Kommt es zu einer Preiserosion und was bedeutet dies für die vielen Anbieter am Markt?

Frau Daniela Ludwig, die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat jüngst angekündigt, Cannabis neu zu bewerten. Wird Cannabis demnächst möglicherweise über staatliche Abgabestellen erhältlich sein und welche Auswirkungen hat dies auf den Gesundheitsmarkt?