Interview: Stressfrei durch den Alltag im Pharma Außendienst – Wertvolle Tipps des Antistress-Burnout-Master-Coaches Frau Iris Haage-Greff

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Hallo liebe Außendienstler! Ich (Dan Zana) sitze hier mit meiner Kollegin Frau Iris Haage-Greff zusammen und wir werden uns dem Thema „Stress im pharmazeutischen Außendienst“ widmen. Iris kann euch als Antistress- & Burnout-Master-Coach wertvolle Tipps und Tricks geben, wie ihr stressfreier durch den Arbeitsalltag kommt.

Liebe Iris, du bist nicht nur eine Expertin was Stressbewältigung angeht, sondern warst auch 15 Jahre lang in der Pharmaindustrie als Pharmareferentin tätig. Wie ist es dir dort ergangen?

I: Ja, das war eine sehr schöne Zeit. Für mich war es der Traumjob! Im Pharma Außendienst lernt man sich selbst und andere kennen. Man hat eine freie Zeiteinteilung und ist selber verantwortlich für sein Gebiet.  Für kommunikative und organisierte Menschen genau der richtige Berufsweg.

Mit anderen Worten, Bürojobs waren damals nichts für dich?

I: Einen Bürojob hatte ich davor drei Jahre lang und habe mich bei der ersten Gelegenheit in den Vertrieb versetzen lassen, da war ich gerade 21 Jahre alt. Strikte Bürozeiten und ständige Aufsicht, sowie stupides Abarbeiten von Akten waren nicht das Richtige für mich. Ich brauchte meine Freiheiten. Deswegen war für mich klar: Ich will selbst gestalten und Manager im eigenen Gebiet werden.

Ja das kenne ich auch noch aus meiner Zeit im Außendienst. Man steigt morgens ins Auto und ist dann auf sich alleine gestellt. Man hat einfach viel mehr Freiheiten, seinen „Soll“ zu erfüllen. Ich wäre auch heute noch im Außendienst. Allerdings endete mein Projekt damals ziemlich schnell und so hat es mich dann zu GPS verschlagen – ein mittelständischer Dienstleister, wo ich mich wohl fühle, da ich mich überall einbringen kann und ich hier auch im Innendienst meine Freiräume habe.

Business Vertrieb Pharma
Was machst du heute?

I: Heute, bin ich Antistress-Burnout-Master-Coach und habe meine eigene „Burnout-Praxen“ in Schorndorf und Kirchberg an der Murr, in der ich nachmittags anzutreffen bin. Vormittags arbeite ich hier bei „GPS Grosch Pharma Service“ im Vertriebsinnendienst bzw. Business Development und bin zuständig für Geschäftsanbahnung. Im Weiteren begleite ich Produktlaunches und unseren Tele Sales, sowie mein Steckenpferd, die Gesundheits-prävention (Burnout-Stressbewältigung).

Warum hast du dann im Pharma Außendienst damals aufgehört?

I: Durch einen Arbeitsunfall mit schwerer Knieverletzung und langen Ausfallzeiten konnte ich die Außendiensttätigkeit nicht mehr ausführen.  Mir fiel es sehr schwer, meinen Traumjob sozusagen an den Nagel zu hängen. Aber mir blieb nichts Anderes übrig, längere Autofahrten oder Treppen zu steigen, stellte sich für mich als sehr schwierig dar. Aber ich dachte mir einfach: Wo eine Tür zu geht, da geht eine andere wieder auf … und so war es dann ja auch.

Skin Disease
Warum ausgerechnet der Studiengang Antistress-Burnout-Master-Coach und nicht zum Beispiel Philosophie?

I: Ich entschied mich für diese Tür, da einige meiner Kollegen und auch Freunde an einem stressbedingten Erschöpfungszustand litten und zusätzlich zur gleichen Zeit noch private Probleme zu bewältigen hatten und so geradewegs in ein Burnout glitten. Das war für mich der Punkt, mich mehr mit dem Thema Stress-Burnout und Außendienst zu beschäftigen. Das Thema Stress bei Männern war für mich schon seit 3 Jahren ein Thema, bei meinem letzten Arbeitgeber im Pharmavertrieb habe ich ein Arzneimittel zur Stressreduktion bei Männern besprochen. Wie es dann um die Themenauswahl der Abschlussarbeit ging, war es für mich ganz klar, dass es das Thema Burnout im Außendienst, also Pharmavertrieb wird und es wurde mir auch so genehmigt.

Stressbewältigung bei Männern im mittleren Alter sieht man ja immer mal wieder in der Presse, die sogenannte „Mid-Life Crisis“, aber was ist denn Stress überhaupt genau?

I: Stress entsteht, wenn wir glauben einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Wie zum Beispiel: Ich bekomme durch eine Umstrukturierung ein größeres Gebiet, was vor Allem auch noch mitten auf dem Land liegt, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen. Sofort kommen einem da Gedanken wie „Wie soll ich das nur schaffen, den Besuchsschnitt bekomme ich doch niemals hin. Das geht doch nicht!“ Diese Gedanken, darf man erst gar nicht aufkommen lassen, sondern erstmal die Ruhe bewahren. Das Gebiet genau analysieren und sich denken: Was in klein geht, geht mit der entsprechenden Strategie auch in groß. Einfach positiv denken und ins „Tun“ kommen.

In diesem Fall löst der Stressor „großes, neues Gebiet, ländlich“ einen klassischen, biologischen Mechanismus aus. Dieser Mechanismus hilft uns, in schwierigen Situationen uns fit zu machen, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Du spielst da wohl auf die alte „Kampf oder Flucht“ Situation an oder?

I: Genau, der Ablauf des Mechanismus ist immer der gleiche: Wenn wir uns in Gefahr befinden, nimmt unser Körper alle Kraft zusammen und versorgt uns mit Energie, damit wir kämpfen oder weglaufen können. In den früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte, war das auch sehr praktisch. Nur so konnten wir wilden Tieren und anderen Gefahren entrinnen oder kämpfen und damit aufs Ganze gehen.

Kampf Flucht Streß

 

Ja damals war der Anstieg des Pulses und dergleichen ja echt sinnvoll, um kurzzeitig leistungsfähiger zu sein. Wie hilft uns dieser Mechanismus in der heutigen Zeit? Mammuts müssen wir ja heute nicht mehr erlegen!

I: Das stimmt, heute müssen wir in diesem Sinne nicht mehr jagen, aber wir haben andere Situationen, die den gleichen Mechanismus immer noch auslösen. Dies kann aber auch dort nützlich sein und sich in Form von positivem Stress manifestieren, dem sogenannten Eustress. Wenn wir uns zum Beispiel mit einer Herausforderung wohl fühlen, die an uns herangetragen wird, sind wir zu einer höheren Leistung fähig, ohne es als Stress zu empfinden und fühlen uns aktiv und ausgeglichen. Das könnte man auch als eine Art Lebenselixier beschreiben.

Hast du uns denn ein konkretes Beispiel für Eustress?

I: Nehmen wir beispielsweise an, wir planen gerade eine Fortbildungsveranstaltung. Da sind ja einige organisatorische Höchstleistungen notwendig. Man selber freut sich über die übertragene Herausforderung und man arbeitet mit vollem Elan und Vorfreude an der Vorbereitung bis zur Durchführung des Events. Das Ganze bedeutet ja auch Stress, aber positiven Stress.

Streßfrei Kochen

Also so ähnlich wie das Kochen für Freunde oder die Hochzeitsvorbereitungen?

I: Ja genau. Die Planung ist zwar stressig, aber die Vorfreude auf dieses Ereignis ist der Lohn für die ganzen Mühen und man empfindet dies als positiven Stress (Eustress).

Dies wird dann als guter Stress bezeichnet, dann gibt es wohl auch schlechten Stress?

I: Das ist der sogenannte Distress. Die Ursachen für diese Form des Stresses sollte man immer versuchen zu beseitigen, bzw. einzuschränken. Der Distress, ist der Stress bei dem man sich ausgebrannt fühlt und der in unserer heutigen, schnelllebigen, digitalen Zeit häufiger vorkommt und somit vor Allem im Außendienst schnell zu einer Reizüberflutung führt. Man ist permanent erreichbar, sei es per Handy oder Email und versucht schnell mal zwischen Tür und Angel alles zu beantworten, dies führt zu einer höheren Stressbelastung, deshalb sollte man sich genau überlegen: „Wann setze ich meine digitalen Helferlein ein?“ und vor allem „Wann schalte ich sie aus?“.

Ja, aber manche bekommen in einer vergleichbaren Situation Panik und andere nicht. Wie ist dies zu erklären?

I: Jeder reagiert anders auf Stress. Der Eine bekommt einen Schweißausbruch, wenn eine Veranstaltung zu planen ist und der Andere, wenn Begleitbesuche anstehen. Ein Anderer schnauft vor Zorn und Wut, wenn er im Stau steht und ein Dritter gerät in Panik, weil er sein Arbeitspensum nicht schafft. Jeder besitzt also eigene Stressoren, welche ihn mehr oder weniger aus der Bahn werfen. Entweder durch Überforderung oder Unterforderung können Gedanken, Gefühle und Verhaltensweise entstehen, welche es zu verhindern gilt.

Streit Streß Ärger

Um auf das Beispiel mit der Hochzeit zurück zu kommen: Ich sollte meiner zukünftigen Gattin also keine Teller an den Kopf werfen, um mich abzureagieren? Aber was mache ich stattdessen? Ich persönlich würde „Eine rauchen gehen“ oder einen Spaziergang machen. Aber ich denke, die Unter- oder Überforderung über einen längeren Zeitraum ist das größere Problem in unserer Gesellschaft.

I: Ja, es sind meistens die kleineren Ärgernisse und Anstrengungen, welche uns über einen längeren Zeitraum in Stress versetzen und dann in Dauerstress enden, der uns letztendlich krank macht. Normalerweise kann unser Körper Stress gut auffangen. Um auf dein Beispiel einzugehen, wenn du jetzt ständig einen wiederkehrenden Konflikt durch Tellerwerfen bewältigen musst, ist dein Körper damit überfordert. Die ständige Leistungsbereitschaft und Leistungsdruck führt beispielsweise zu Dauerstress, der unter Umständen ernsthafte körperliche Schäden verursachen kann.

Beispiele hierfür sind:

  • Hoher Blutdruck
  • Verdauungsbeschwerden
  • Spannungskopfschmerzen
  • Migräne
  • Depressionen
  • Burnout
  • Schlafstörungen

Wir wollen es ja erst gar nicht so weit kommen lassen. Deshalb ist es so wichtig, dass jeder einzelne von uns sich sein eigenes Anti-Stress-Programm zusammenstellt und somit Gesundheitsprävention betreibt.

Unter Stress steht man als Außendienstler immer. Nun war das Thema deiner Abschlussarbeit im Studium „Burnout im Pharma-Außendienst.“ Welche praktischen Tipps kannst Du den Leuten da draußen an die Hand geben?

I: Oft sind es Kleinigkeiten, die zu einer nachhaltigen Entlastung des Alltags führen. Besonders wichtig ist Zeitmanagement, Gewohnheitsänderungen und ein Perspektivenwechsel, um der Stressfalle zu entkommen. Sport, gesunde Ernährung, Entspannungstechniken und lernen, auch mal „Nein“ zu sagen und sowie neue Gedankenbahnen aufzutun, um uns neu zu programmieren. Das hilft uns, Distress in Eustress zu verwandeln.

Hast du uns hierzu auch ein konkretes Beispiel?

I: Zum Beispiel Auto fahren: Jeder kennt es, man steht im Stau und die Gedanken kreisen um die Dinge, die man noch alle unbedingt erledigen muss. Probleme scheinen unlösbar zu sein. Und durch den Stau komme ich auch noch zu spät zu meinem Termin. Man denke sofort negativ, wie zum Beispiel: „Mist, immer steh ich im Stau!“ Panik ist hier allerdings kontraproduktiv, um Stress abzubauen. Ebenso wie Negativsätze und Fluchen. Ein Lösungsansatz ist zum Beispiel: Die Praxis über die Verspätung zu informieren, mit der Bitte den Termin zu verschieben. Statt zu fluchen, könnte man eine simple Stressübung durchführen, seine Lieblingsmusik oder ein Hörbuch hören und positiv denken.

Wie würde denn eine Stressübung im Auto aussehen?

I: Du könntest die Stau- und Ampelphasen dafür nutzen, um isometrische Übungen zu machen.

Räkele und strecke dich. Drücke mit den Armen gegen das Dach und halte die Spannung für einige Sekunden. Spanne das Gesäß und den Bauch für einige Sekunden an und dann wieder entspannen.

Ein Stressor ist ja auch im Außendienst, ob ich noch meinen Job behalte oder nicht. Wie schätzt du den Einfluss neuer Vertriebskanäle hierauf ein?

I: Ganz wichtig ist, dass der Pharma-Außendienst weiterhin eine entscheidende Rolle in der Pharmaindustrie spielt. Er wird allerdings immer spezialisierter werden, wie z. B. durch die Megatrends Biosimilars, Orphan Drugs, Cannabis und vieles mehr. Somit ist der große Stressor „Verlust des Arbeitsplatzes“ nicht gerechtfertigt. Neue Vertriebskanäle wie Tele Sales, dienen der Vorqualifizierung von Ärzten oder Apotheken, was eine sinnvolle Unterstützung für euch als Außendienstmitarbeiter darstellt und eure Besuche effizient vorbereitet. Auch die Digitalisierung wirkt ergänzend zum klassischen Pharmavertrieb, der Außendienst kann dadurch aber nicht ersetzt werden. 

Bank Entschleunigen Streßbewältigung Pause
Iris, jetzt ist die Stressbewältigung mit deinem Studium zu deinem Steckenpferd geworden. Kannst du die Quintessenz von allem, was wir bisher gehört haben, zusammenfassen?

I: Man muss sich einmal bewusst machen, dass negativer Stress durch positive Gedanken in etwas Positives verwandelt werden kann. Ein Beispiel ist das Zusammenspiel von einem guten Zeitmanagement, einer guten Tourenplanung, Gewohnheitsänderungen (Stressübungen, Autogenes Training, Muskelentspannung). Auch die richtigen Nutzung der Digitalisierung der Arbeitswelt und positives Denken ist der richtige Weg, negativen Stress zu vermeiden. Dabei sind Pausen nicht zu vernachlässigen, um kurz mal zu entschleunigen. Macht einen kurzen Spaziergang, genießt den Kaffee in der Sonne, nehmt euch Zeit für euch selbst und nicht nur am Wochenende, sondern auch während der Arbeitszeit. Sagt öfter auch mal „Nein“ , im Arbeitsleben wie auch im Privatleben.

So startest du mit neuem Elan ins nächste Arztgespräch und denke immer daran, „Das schaffst du“.

Und da die liebe Iris ihr gesammeltes Wissen auch gerne mit euch teilen möchte, gibt es hier künftig weitere nützliche Tipps zur Stressbewältigung im Außendienst.

Quellen:

Pharmaaußendienst 2020 (Artikel)

Neue Arzneimittel 2018/2019 (Artikel)

 Festgefahren im Job? Meistern Sie den Quereinstieg in die Pharmabranche (Artikel)

Die Burnoutpraxis Rems-Murr