Pharmaaußendienst 2020 – medizinische Fachkompetenz auf Augenhöhe

Far and away the best

Der Pharmamarkt befindet sich in einem stetigen Wandel. Nur die Pharmaunternehmen, die diese Herausforderung annehmen und die richtigen, zukunftsweisenden Entscheidungen treffen, werden erfolgreich sein. So haben sich in den letzten Jahren neue gesetzliche Regulatorien und steigende Kosten auf Forschung und Entwicklung innovativer Arzneimittel ausgewirkt: Es werden vor allem Produkte für seltene Erkrankungen oder dringend benötigte Sprunginnovationen in der Neurologie, Onkologie und Infektiologie entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

  1. Gesetzliche Regulatorien
  2. Share of Voice
  3. Einsatz von Tablets im Außendienst
  4. Multi-Channel
  5. Außendienst – die Speerspitze
  6. Services
  7. Konzertiertes Zusammenspiel aller Vertriebskanäle
  8. Telesales
  9. Fazit für den Pharmavertrieb 2020

1. Gesetzliche Regulatorien

In den vergangen Jahren haben die politischen Entscheidungen den Pharmamarkt grundlegend verändert. Genannt seien in diesem Zusammenhang

  • die frühe Nutzenbewertung nach AMNOG
  • Rabattverträge mit Krankenkassen
  • Festbetragssystem
  • Zwangsrabatte.

Zieht man die 4 Ps des Marketings heran [1], die auch im Healthcare Marketing ihre Anwendung finden, so erkennt man, dass die beiden erstgenannten aus Sicht der Hersteller von außen reguliert werden:

  • Product
  • Price
  • Place
  • Promotion

Das Arzneimittel (Product) muss Wirksamkeit und Verträglichkeit in medizinischen Studien nachweisen, eine Zulassung erfolgt dann in entsprechenden Indikationen seitens der Zulassungsbehörden (EMEA). Auch der Preis (Price) wird von außen determiniert. Die Entscheidung über die Distribution (Place) bleibt in den Händen der Pharmahersteller. Die große Spielwiese der Möglichkeiten ergibt sich aber vor allem bei der Vermarktung (Promotion). Hier zählt es, vom Markt wahrgenommen zu werden.

2. Share of Voice

Im Zeitalter der großen Blockbuster bescherten die Massenmärkte wie Blutdrucksenkung (ACE-Hemmer, AT1-Blocker) und Cholesterinsenker (CSE-Hemmer) den global aufgestellten Pharmakonzernen gute Umsätze. In diesem Marktumfeld galt es, mit dem höchsten Share of Voice im Markt zu agieren, um Mitbewerber zu verdrängen. Mehr Arztkontakte bedeutete mehr Marktanteil. Die offensichtliche Einflussnahme durch den zeitgleichen Einsatz mehrerer Außendienstlinien für ein und dasselbe Produkt wurde seitens der Ärzte erkannt und abgestraft, was eine Reduktion des Pharmaaußendienstes von 22.000 in Spitzenzeiten auf heute unter 12.000 zur Folge hatte.
Aber Share of Voice gilt heute immer noch! Dazu trägt der Außendienst mit seinem Direktkontakt genauso bei wie alle weiter verfügbaren Kommunikationskanäle. Das Betätigungsfeld des Pharmareferenten hat sich allerdings grundlegend geändert und stellt höhere Ansprüche an den Außendienstler. Denn er muss heute

  • fachkompetenter Ansprechpartner
  • Berater auf Augenhöhe
  • Verbindungsperson für medizinische Fragen
  • Problemlöser
  • Servicemanager

in einer Person sein!

Und Ärzte erwarten mit Recht eine Persönlichkeit mit Fachwissen und Empathie. Die drei wichtigsten Eigenschaften sind

  • hohe Fachkompetenz
  • ausgeprägtes Verständnis für die Tätigkeit und die Herausforderungen des Arztes
  • hohe Serviceaffinität.

 

Und wenn dann der Pharmareferent die Argumentation auch noch grafisch untermauert, kann er die Botschaften beim Kunden stärker verankern. Seit ein paar Jahren stehen hierzu endlich handliche Präsentationsgeräte wie Tablets zur Verfügung.

3. Einsatz von Tablets im Außendienst

Anfangs eher kritisch beäugt hat sich das Tablet nun endgültig im Außendienst etabliert. Der Nutzen liegt vor allem in der gezielten Beantwortung von Arzt-Fragen, die durch grafische Darstellungen sinnvoll unterstützt werden. Kein anderes Medium kann diese Informationsflut so gut strukturiert aufnehmen, um gezielt abgefragt zu werden. Und wer dieses Instrument gut bespielen kann, für den ist ein solches Arbeitsmittel eine Bereicherung in der Kommunikation. Diese Technik schafft grundsätzlich mehr Flexibilität.

Aber Achtung: Um den Arzt nicht mit einem Monolog zu überfrachten oder dem Apotheker einen „Folienfilm“ zu zeigen, sollte der Einsatz wohldosiert und gezielt erfolgen: Verkaufsprofis arbeiten mit einem Redeanteil von 20%, während sie dem Kunden 80% einräumen und trotzdem das Gespräch steuern. Bedarfe des Kunden erkennen und seine Probleme zu lösen, ist erfolgreicher als ausschließlich Botschaften zu platzieren.
Die Visualisierung des gesprochenen Wortes mittels Tablet erfordert Disziplin und viel Übung. Integriert der Pharmaberater dieses Präsentationsgerät geschickt in seinem Gespräch, ohne dass der Kunde den Einsatz dominant wahrnimmt, dann spielt er in der höchsten Liga.

4. Multi-Channel

Jaja … dieses Thema darf auf keinem Vertriebsforum oder Healthcare Marketing Strategy Event fehlen. Multi-Channel wird seit Jahren kontrovers diskutiert, leider meist ohne echte Struktur. Da sollen Strategien aus anderen Industrien in die Pharmaindustrie kopiert werden, ohne auf den besonderen Charakter der Zielgruppen einzugehen. Denn für Medikamente existieren klare gesetzliche Regelungen, diese zu bewerben. Da macht es schon Sinn, verschreibungspflichtige Rx-Arzneimittel und frei verkäufliche OTC Produkte zu unterscheiden.
Im Rx-Markt ist es eine Multi-Channel-Arzt-Kommunikation. Hier können verschiedene Kanäle angeboten werden:

  • Direktkontakt über Außendienst
  • Dialoge über Telefon (Telesales)
  • Email
  • Personalisierte Homepages (pURL)
  • Brief- oder Faxaussendungen
  • Web-Konferenzen
  • Online-Fortbildungen.

Im OTC-Markt muss zwingend der Verbraucher zusätzlich in den Multi-Channel-Prozess eingebunden werden. Die klassischen Kanäle Print und TV werden durch online-Möglichkeiten ergänzt. Denn je nach Zielgruppe gewinnt der Web-Content immer stärker an Bedeutung, insbesondere bei der Zielgruppe der 20-40-Jährigen:

  • Website
  • Banner
  • Diskussionsforen und Blogs.

Hier besteht ein sehr hohes Maß an Verbesserungsmöglichkeiten seitens der Hersteller, denn die Adressaten des digitalen Kanals müssen in der Lage sein, diese digitalen Kommunikationswege zu nutzen. Noch wichtiger ist jedoch, die Interessen und Bedürfnisse der Kunden zu treffen, damit sie sich überhaupt mit den Inhalten befassen. Jede Maßnahme muss auf den Kundennutzen abgestimmt sein. Hier sind echte Innovationen gefragt.
Der Vorwurf, die Pharmaindustrie sei zu konservativ, kann so nicht gelten. Es gibt genügend Beispiele für kreative Kampagnen – schauen Sie sich um.
Und wer alle Cross-Media-Daten mit denen des Außendienstes mittels eines Customer-Relationship-Managementtools (CRM) auf einer Ebene zusammenführt, hat so seinen Außendienst mit allen Informationen für ein abschlußorientiertes Arbeiten versorgt. Denn es bleibt unbestritten: Der Außendienst mit den persönlichen Kontakten ist immer noch das wichtigste Vertriebsinstrument. Und das wird auch über das Jahr 2020 hinaus noch Geltung haben.

5. Außendienst – die Speerspitze

In der Medizin geht es um Menschen! Patienten begeben sich in die Hände von Ärzten und suchen Rat bei Apothekern! George W. Merck, Sohn des Firmengründers von MSD, bringt es auf den Punkt:

„Medicine is for the patient. Medicine is for the people.“ Medicines is people business. [2]

Und dies wird jeden Tag wichtiger! Pharma bedeutet People-Business. Der Außendienst ist der Mittler zwischen Arzt und Pharmaunternehmen. Er bzw. sie gibt dem Unternehmen ein Gesicht! Umso mehr zählen heute Qualität, Verlässlichkeit, Kommunikationsstärke, Fachwissen und Empathie zu den wichtigen Schlüsselqualifikationen und sozialen Komponenten.

Hochqualifizierter Außendienst ist heute mehr denn je gefragt. Denn mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Antikorruption im Gesundheitswesen im Jahr 2016 rückt die fachliche Beratungsqualität seitens der Pharmareferenten wieder stärker in den Fokus. Und Ärzte erwarten zu Recht hohe medizinische Kompetenz in der Diskussion mit dem Außendienstmitarbeiter und spüren dessen Begeisterung für das Produkt. Beratungsqualität ist der Schlüssel zum Erfolg, Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Arzt und Pharmareferent eine Selbstverständlichkeit. [3]

Und so verschiebt sich der Anteil an spezialisiertem Außendienst weiter in Richtung

  • Fachaußendienst, Spezialisten
  • Klinikreferenten
  • Key Account Manager (KAM)
  • Manager für Gesundheitspolitik
  • Medical Advisor, Medical Science Liaison Manager (MSL)
  • Key Opinion Leader Betreuer (KOL).

Und die Ärzte erwarten mehr als nur wissenschaftlichen Austausch. Soft Skills wie Begeisterungsfähigkeit, Charakterstärke aber vor allem das Eingehen auf die Kundenbedürfnisse sind die Basis für die erfolgreichsten Pharmaberater. Und … der Pharmareferent muss zusätzlich Services bieten.

6. Services

Patientenorientierte Services sind bisher nur in wenigen Einzelfällen umgesetzt worden. Hier müssen Marketing- und Medizinabteilung moderne Konzepte entwickeln. Die neuen webbasierten Kanäle bieten hier innovative Ansätze. Fehlen diese, ist ausschließlich der Pharmareferent Problemlöser und wertiger Gesprächspartner für den Arzt.

Zukünftig werden Informationen zu den angebotenen Online- und Social-Media-Aktivitäten an Gewicht gewinnen. Kennt der Pharmaberater die präferierten Cross-Media-Kanäle des Arztes oder Apothekers (customer journey), so kann er langfristig seinen Kunden an sich binden (customer loyality).

7. Konzertiertes Zusammenspiel aller Vertriebskanäle

Erst wenn ich es als Hersteller schaffe, die Kunden und die Endkunden mit den gewünschten und relevanten Botschaften zu versorgen, kann ich auch die individuellen Bedürfnisse meines Gegenübers bedienen. Um dies für alle am Salesprozess Beteiligten sichtbar zu machen, werden alle Daten in einem CRM-System vereint.

Die Erfolgreichen im Markt werden die sein, die es schaffen, die Kanäle und den Außendienst gezielt anzusteuern. Cross-Media oder auch Telesales werden nicht den Außendienst ersetzen, sondern unterstützen. So spielt der Telesales-Mitarbeiter die zentrale Rolle, neue Zielgruppen zu identifizieren und zu qualifizieren, um die Tür für den ersten Außendienstkontakt zu öffnen und diesen zu terminieren. Die Effektivität des Außendienstes wird signifikant gesteigert!

8. Telesales

Nun haben Call-Center nicht den besten Ruf: Jeder hat bereits Erfahrung mit nervigen Anrufen zu ungünstigen Zeiten gemacht. Werden jedoch Pharmaberater gemäß §75 AMG am Telefon eingesetzt, die den Dialog mit Ärzten oder Apothekern beherrschen, geht die Kommunikationsstrecke weg von der Platzierung von Kernbotschaften und führt hin zu einem Mehrwert für den Kunden: Das können Problemlösungen oder Serviceangebote sein.

Telesales bietet ein äußerst breites Spektrum mit

  • flächendeckendem Direktvertrieb
  • Qualifikation der Zielgruppe
  • Interimbetreuung vakanter Gebiete
  • zielgerichteten Kampagnen
  • Marktforschung,

das durch eine zielorientierte Bearbeitung des Marktes bzw. des Kunden in einem persönlichen Gespräch mündet. Durch diese vorbereitenden Telefonate wird der Außendienst auf eine höhere Stufe in der Kundenkommunikation gehoben.

9. Fazit für den Pharmavertrieb 2020

Die Rahmenbedingungen der Hersteller von Arzneimitteln in Deutschland haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Daneben werden die Endkunden für freiverkäufliche Arzneimittel als Adressaten immer wichtiger. Das Web wird heute mehr denn je genutzt und ist ein wichtiges „Sprachrohr“ mit unterschiedlichsten Kanälen. Diese individuell auf die Kundenbedürfnisse abzustimmen, daran kann heute noch viel verbessert werden.
Der Pharmaußendienst in einer hochqualifizierten Form ist heute mehr denn je gefordert. Die Pharmaberater mit deutlicher medizinischer Fachkompetenz, tieferem Kundenverständnis und ausgeprägterer Serviceaffinität werden die Nase vorn haben.
Kombiniert man diese Außendienstteams mit Telesales und Cross-Media-Kampagnen, so resultiert dies in einer drastischen Effektivitätssteigerung des Vertriebs. Das ist Pharmaaußendienst 2020.

Referenzen

[1] 4 P des Marketings (Scheuer Marketingberatung & Co. KG, Hamburg)
[2] George W. Merck Quotes
[3] § 299a,b StGB – Antikorruption im Gesundheitswesen Außendienst wird aufgewertet